Back in Black

01Okt2019

Hallo meine Lieben,

mein letzter Blogeintrag ist ewig her, ich weiß. Aber das liegt daran, dass so wahnsinnig viel passiert ist. Ich hatte einfach keine Zeit und wenn ich etwas Zeit hatte, keine Nerven.

Meine kurzen Ferien in der Heimat sind leider seit Anfang September vorüber. Und bis auf die fast zwei Wochen in denen ein Freund mich besuchen gekommen ist, war es auch nicht wirklich erholsam.

Es gab unglaublich viel zu tun:

Ich musste meine Möbel aus meiner alten WG in Kiel holen. Was eine Menge war und mehrere Tage und Fahrten in Anspruch genommen hat. Außerdem die Nerven aller Beteiligten, was durch misslungene Kommunikation dann auch noch verstärkt wurde, was mir noch immer sehr leid tut. Ich kann Diskussionen und Streitereien nicht ausstehen.

Dann musste ich feststellen, dass mein Zimmer bei meinem Vater im Haus nicht groß genug für meine Möbel ist und musste dort kurzerhand auch noch in ein anderes Zimmer ziehen. Es war also viel Geschleppe.

Mein altes Zimmer musste dann auch noch renoviert werden, also habe ich noch einen Nachmittag damit zugebracht, die Risse in der Wand zu stopfen und alles für's Streichen abzukleben. Das Streichen an sich habe ich dann leider nicht mehr gemanaged bekommen. Shoutout an meinen Vater und meinen Bruder, dass sie das übernommen haben.

Dann habe ich noch etwas gejobbt, um das Geld für den anstehenden Besuch meines Freundes und die Renovierung in Varna zu verdienen. Und natürlich, um die Kiddies mal wiederzusehen. Ich vermisse die Zeit in Kiel schon sehr. Ich habe mich dort zuhause gefühlt und so schön integriert und gleichzeitig anonym. Varna ist wie ein Dorf: jeder kennt quasi jeden und an der Uni bist du nicht einfach nur eine Nummer. Du hast ein Gesicht und einen Namen, was die Uni zur Schule macht. Sympathie spielt wieder eine Rolle. Und das sollte sie nicht.

Außerdem ging es wieder auf's Wacken open Air, wo ich meine lieben besten Freunde aus der Oberstufe mal wiedergesehen habe. Wir haben uns ganz schön nass gemacht vor Lachen in dieser Nacht. Leider gab es kein Eis für Luise, sondern nur für Kathy, Klaas und moi. Schöne Grüße gehen raus an Kathy, Luise, Klaas und.... mmpppfff.. mbh mbh mbh... hjoaaah :D Ihr müsst mich auch immer noch besuchen kommen. Aber lasst euch Zeit.. ich bin ja noch ein paar Jahre hier...

 

Wenn man keine Küche hat, täglich Renovierungsarbeiten und Uni verrichtet und im fünften Stock ohne Fahrstuhl lebt, dann purzeln die Pfunde. Inzwischen müsste ich wieder bei ca 63kg angelangt sein. Ich werde sogar auf meinen Gewichtsverlust angesprochen, was mich natürlich sehr happy stimmt.

Die Retakes habe ich bis auf Physik und Biophysik (man erkennt gar nicht wo das Problem liegt) auch alle bestanden und bin nun offiziell im zweiten Jahr. Wohoo!

Zurück zu dem Besuch. WIr sind auch in den Hansa-Park gefahren für einen Tag. Das erste Mal, dass ich so lange Auto gefahren bin seit ich mit 18 nach München gedüst bin. Stau, Stau und nochmal Stau auf dem Rückweg. Mein Freund hat im Auto gepennt :D Hätte ich auch gern gemacht. Aber was soll ich sagen, jetzt kann ich wieder Autofahren. Was vorher nicht so meine Stärke war, wegen mangelnder Fahrpraxis.

Im Hansapark hatten wir irre viel Spaß. Bis auf die neue Achterbahn... das war das schlimmste, was ich je gefahren bin. Ich bin so froh, dass ich mir nicht das Genick gebrochen habe... mein Freund fand es natürlich super geil. Wie Männer halt so sind. Das Foto haben wir gekauft, weil man ganz deutlich sehen konnte, wer es wie gefunden hat. Ich heule Rotz und Wasser und er sitzt da wie auf einer Couch. Naja... die Wasserbahnen waren aber unsere Highlights. Die sind wir bestimmt auch 10 mal gefahren. 

Am Ende seines Besuches und eine Woche vor meiner Rückkehr nach Varna verstarb dann leider mein geliebter und auch einziger richtiger Opa nach langer Krankheit. Sicherlich kam es nicht überraschend, aber es schmerzt dennoch sehr jemanden so wichtiges zu verlieren. Ich hoffe, er hat seinen Frieden gefunden und dass es ihm gut geht, da wo er jetzt ist. Ich habe dich lieb, Opa.

Die Beerdigung und die Woche davor war nervenaufreibend und traurig. Mein Papa buchte mir einen neuen Flug, damit ich bei der Beerdigung dabei sein konnte. Es war wirklich surreal. Als ob man einen Film sieht. Und irgendwie wird mir erst jetzt richtig klar, dass ich meinen Opa nie wiedersehen werde. Wenn ich Weihnachten nach Hause komme, wird er nicht da sein. Wenn ich anrufe, wird er nicht mehr ans Telefon gehen und vergessen, was er sagen wollte, wie es zuletzt so häufig passiert ist.

Ich habe meinen Opa noch einmal gesehen, bevor er starb. Kurz nachdem ich zuhause angekommen war. Es war schwer, ihn so zu sehen. So hilflos und weitab von dem, der er mal gewesen ist. Er hat meine Hand genommen und sie ganz fest gehalten. Er konnte nicht reden, trotzdem hat er es versucht. Aber ich konnte nicht verstehen, was er gesagt hat. Ich glaube, er hat mich erkannt. Ich habe ihm dann noch eine Weile aus seinem Buch vorgelesen. Zitate von Dichtern und Denkern zum Leben. Das war das Letzte mal, dass ich meinen Opa lebend gesehen habe. Ich hätte ihn gern nochmal gesehen, aber irgendwie war es zu schwer. Natürlich zeitlich mit all den Dingen, die ich zu tun hatte.. aber auch emotional. Ich bin überdurchschnittlich empathisch. Für mich sind solche Situationen häufig sehr anstrengend. Es war schön, Opa wiederzusehen und ich habe gemerkt, dass er sich gefreut hat, dass ich da war. aber es war auch sehr schmerzhaft zu sehen, dass er kommunizieren wollte und es nicht konnte. Die Frustration in seinen Augen und seinen Bewegungungen. Die Gewissheit, dass er all die Dinge, die er so gemocht hatte und die ihn ausgemacht haben, nicht mehr tun konnte. Das Essen, die Reisen, die Familienfeiern und sein Engagement in der Gemeinde oder einfach nur an einer Unterhaltung teilzunehmen. Das Leben passierte ohne ihn. Ich habe das einfach nicht gut ausgehalten. Egoistisch, ich weiß. Aber ich weiß, dass Opa wusste, dass ich an ihn gedacht habe und dass ich ihn lieb habe.

Trotzdem musste ich ihn nochmal sehen. Also bin ich drei Tage nach seinem Tod mit meinen Tanten und einer meiner Cousinen zum Bestatter gefahren und wir haben uns von ihm verabschiedet. Er sah garnicht mehr aus wie mein Opa. Die Falten waren weg, alle öffnungen zugenäht und seine Mimik war erschlafft. Er sah aus wie eine Puppe. Aber als wir zum Abschied noch ein letztes Vater unser gesprochen haben, hätte ich schwören können, dass er gelächelt hat.

In diesem Moment habe ich damit meinen Frieden gemacht. Er wird immer vermisst werden und ich bin sehr traurig, dass ich nicht mehr mit ihm reden konnte. Aber er hat es jetzt geschafft. Er muss nicht mehr leiden und er ist nicht mehr in seinem eigenen schmerzenden Körper gefangen. Mach's gut, Opa.

Dann kam der Tag, an dem ich zurück nach Varna musste. Und wenn es nicht läuft, dann läuft es einfach nicht. Erst hatte der Flug verspätung wegen eines technischen Defekts. Also warteten wir am Gate für 4,5 Stunden bis der Flug dann endgültig gecancelt wurde. Was ärgerlich war, weil ich am nächsten Morgen um 8 mein Lateinexamen hatte. Also musste ich wieder raus aus dem Gate, mein Gepäck einsammeln und mich um ein Hotel und einen Transport bemühen. Beim Anstehen in der Schlange für dieses lernte ich ein Mädchen kennen, das in Varna nun einen Freiwilligendienst macht für das nächste halbe Jahr. Sie ist unheimlich nett und weil wir uns so gut verstanden, haben wir uns dann einfach ein Zimmer geteilt. Liebe Grüße an T.

Also ging der Flug am nächsten Mittag. In Varna angekommen musste ich mir erstmal ein Lager für die Nacht zusammenbauen. Also im Grunde habe ich bis vor einer Woche auf dem Boden gepennt und eine Woche bei meiner lieben Freundin Nisa und ihrem Bruder. Am Anfang war das hart und unbequem. Aber nach drei Tagen gewöhnt man sich daran und es ist geradezu gut für den Rücken. Also ich kann verstehen, warum Asiaten auf dünnen Matten auf dem Boden schlafen. Aber ein Bett ist halt ein Bett. Einfach gemütlicher.

Es folgte eine stressige Retakephase und dann die Renovierungskrise. Das streichen ist zwar nervig, aber man kommt gut voran und es gibt eher keine Probleme bis auf, dass einem der Putz gelegentlich entgegen kommt.

Aber leider zickt das Laminat rum. Ein Monat, sechs Leute, die ihr bestes versucht haben und immer noch ist der Raum eine Baustelle. Das Laminat ist verbogen und war vermutlich deshalb im Angebot. Bulgaren haben keinen Skrupel, dir Geld für Müll aus der Tasche zu ziehen. Und nun stehen wir hier mit 90€ investiertem Geld in Müll und keinem Fußboden. Ich kriege eine Krise... morgen kommt der liebe D. nochmal vorbei und schaut sich das Desaster an, denn der hat glücklicherweise Ahnung. Aber wenn er auch sagt, dass da nichts zu retten ist, dann bleibt mir nichts anderes übrig als alles zu entsorgen und es nochmal mit anderem Laminat zu probieren. Natürlich nimmt Praktiker keine geöffnete und dazu reduzierte Ware zurück. :) *würg*

Und hier kommt das vorerst letzte Drama von dem ich berichten möchte, denn ich hab jetzt keinen Bock mehr auf negatives und werde kommende negative Erlebnissen einfach weglächeln und ignorieren für zumindest einen Monat.

In Physiologie besprechen wir nun Reflexe etc.

Unglücklicherweise ist es in der Wissenschaft üblich Experimente an lebenden Tieren, in unserem Fall Frösche, zu machen. Es ist nicht Pflicht, sondern eine demokratische Entscheidung der Klasse. Sprcih, wir MÜSSEN kein Tier töten, um den Kurs zu bestehen, wir dürfen es aber.

Dabei wird der lebende Frosch durch einen Schnitt oberhalb der Augen durch sein Cerebrum betäubt. Sprich man zerschneidet den Oberkiefer samt Gehirn. Das bekommt der Frosch aber noch mit. Danach spürt er nichts mehr. Anschließend wird das Rückenmark durchtrennt. Und dann werden ihm je nach Arte des Experiments die unteren Extremitäten amputiert und daran werden dann Experimente gemacht. Das ganze wird dann aufgehängt wie nasse Wäsche. Ich persönlich finde, dass das unnötige Tierquälerei ist. Insbesondere weil wir uns zuvor genau dasselbe Experiment auf YouTube angesehen haben und das Ergebnis des Experimentes in 10000en Büchern steht. Wir wissen, was passieren wird. Trotzdem soll ein Frosch dafür sterben. Die Entscheidung lag bei der Klasse. Ich habe den Raum verlassen müssen, denn für mich war das zuviel. Ich habe schon bei den Instruktionen weinen müssen.

Und versteht mich nicht falsch, ich bin kein großer Fan von Fröschen und solchem Getier. Eher im Gegenteil. Ich habe eine scheiß Angst vor Fröschen, weil ich neben einem Teich aufgewachsen bin, wo es jedes Jahr wieder 1000e davon gab. Und die haben einen angesprungen, versucht zu beißen und zu einer bestimmten Zeit des Jahres lagen auf der Straße überall überfahrene Frösche, teilweise nur halb tot herum. Das ist eins meiner Kindheitstraumata... jedenfalls bin ich kein Froschliebhaber. Aber es sind nunmal auch unschuldige Tiere. Lebewesen mit Gefühlen. Und sie einfach nur zu töten, um mit ihnen spielen zu können... da stellen sich mir die Nackenhaare auf. Da werde ich richtig wütend und traurig. Unsere Professorin hat zum Glück Verständnis für meine Ansicht und gestattet mir, das Seminar für die Experimente zu verlassen.

Ich bin keine Veganerin oder Vegetarierin. Aber ich verschwende auch keine tierischen Lebensmittel, wenn ich sie mir kaufe. Diese Tiere sterben, damit wir sie essen können, Sie werden so gut wie möglich verwertet. Sie sterben nicht für nichts. Mit Essen spielt man nicht.. kennt ihr ja.

Aber diese Frösche werden nicht verwertet. Sie werden gequält und entsorgt. Das letzte, was dieser Frosch mitbekommt, ist ein Raum voller Weißkittel. 25 Augen auf ihn gerichtet und schließlich eine Schere an seinem Kopf und zwischen seinen Kiefern, die zuschnappt.

Es tut mir leid, aber ich kann das nicht. Ich studiere Medizin, um Menschen zu helfen und nicht, um Tiere zu quälen für Ergebnisse, die wir vor hunderten von Jahren bereits zusammengetragen haben.

Ich habe da auch ehrlichgesagt etwas den Respekt vor meinen Kommilitonen verloren. Hauptsache was aufschneiden. Hauptsache Blut sehen... Ich könnte es verstehen, wenn es um Menschen ginge und wenn man jemandem damit helfen würde oder eben an der Leiche eines Menschen, der seinen Körper für sowas gespendet hat. Aber Pepe schlitzen? Common...

Naja Ihr Lieben.. lasst mich in den Kommis wissen, wie Ihr dazu steht.

Grüße von der Baustelle,

Eure Anni.